Wolfgang: Peter, du bist/warst im Projektteam der Crowdfunding-Kampagne „Retten wir die soziale Hängematte!“ – Worum geht’s bei eurem Projekt?
Peter: Die „Soziale Hängematte“ ist ein Projekt von atempo, einer Grazer Einrichtung, die sich für die Gleichstellung von Menschen mit Behinderungen einsetzt. Junge Menschen mit Behinderunen haben sich im Rahmen des Projektes kreativ mit dem Thema der sozialen Hängematte auseinandergesetzt. Ziel war es, eine Riesenhängematte anzuschaffen, die Ort der Inklusion und Begegung wird. Damit wird der negativ besetzte Begriff der sozialen Hängematte positiv umgedeutet. Bei einem Fest wurden die Ergebnisse des Kreativprojektes präsentiert und die Hängematte offiziell im atempo-Park aufgehängt. Dort bleibt sie als Zeichen der Inklusion und nutzbar für alle hängen.
Wolfgang: Ihr habt das Projekt über Crowdfunding finanziert. Warum habt ihr euch für diese Form der Projektfinanzierung entschieden?
Peter: Crowdfunding war deshalb interessant, weil wir die Chancen sahen, das Projekt über viele UnterstützerInnen zu finanzieren, die dann auch auch NutzerInnen der Ergebnisse sein können. Unser Ziel war es, vor allem mit kleinen/leistbaren Beträgen das Projekt umzusetzen. Daneben war es auch Ziel, viralen Online-Content zu generieren und im Sinne einer ganzheitlichen Marketingaktion Thema und Organisation zu positionieren.
Wolfgang: Welche Aktionen habt ihr euch einfallen lassen? Was hat im Sinne der Unterstützer-Rekrutierung am besten funktioniert?
Peter: Wir haben die Aktion sehr breit auch als virale Marketing-Aktion verstanden und verschiedene Kanäle und Zugänge genutzt. In erster Linie wurde stark über Social Media kommuniziert (über den Facebook-Kanal von atempo, aber auch über verschiedene Einzelpersonen im Umfeld des Unternehmens). Weiters gab es Mailaussendungen, Hinweiskarten, E-Mailsignaturen und viel direkte Ansprache. Auch alle Optionen von startnext (Blog, Updates) wurden genutzt und damit Projektgeschichte (erste Ergebnisse etc.) kommuniziert. Intern hat sich ein Kreis von etwa 5 Personen gebildet, die das Projekt intern und extern immer wieder thematisiert und kommuniziert haben. Der gute Mix an verschiedenen Maßnahmen war sicher maßgeblich dafür verantwortlich, dass das Projekt erfolgreich abgeschlossen werden konnte.
Wolfgang: Auf Facebook hast du geschrieben, dass sogar die Grazer Politik in das Projekt eingestiegen ist. Crowdfunding hat also eindeutig die Aufmerksamkeit gesteigert?
Peter: Ja auf alle Fälle. Wir haben auch PolitikerInnen direkt angeschrieben (über Social Media und Mails). Die erste UnterstützerIn des Projektes war übrigens eine steirische Landespolitikerin. Langsam, das ist mein Eindruck, erkennen politisch Verantwortliche, dass es eine interessante Möglichkeit ist, Projekte über Crowdfunding zu finanzieren. Die internen Abrechnungsmodalitäten hinken da leider noch ein wenig hinterher (Förderwesen).
Wolfgang: Glaubst du, haben es soziale und zivilgesellschaftliche Projekte in Österreich leichter als etwa Kreativprojekte?
Peter: Ich würde vermuten ja. Soziale und zivilgesellschaftliche Projekte sprechen wichtige Motive an, andere als Kreativprojekte. Da geht es um das sich Einsetzen für benachteiligte Gruppen, um das „Gutes tun“. Es ist momentan ganz trendig, soziale und zivilgesellschaftliche Anliegen zu unterstützen. Auch große Energien, wie etwas die Gemeinwohl-Initiative, unterstützen diese Entwicklung.
Wolfgang: Welche Zukunft siehst du generell für Crowdfunding in Österreich?
Peter: Ich bin der Überzeugung, dass Crowdfunding ein zunehmend bedeutsames Feld in Österreich wird. Derzeit hinken wir da ja noch ein wenig nach. Wir sind noch sehr zögerlich und skeptisch, was Online-Zahlungen betrifft und es fehlen teilweise auch die notwendigen Grundkenntnisse im Umgang mit Online-Plattormen. Das ist ein Punkt, der mich immer wieder auf den Boden der Realität zurück holt. Das wird sich wohl in der nächsten Zeit ein wenig ändern.
Daneben brauchen wir sicher auch eine Art „soziale Innovation“: Wir müssen lernen und erfahren, dass wir mit unseren (kleinen) Beiträgen eine größere Sache unterstützen können und damit aktiv werden können. Wir müssen auch lernen, wichtige Themen in unseren Netzwerken zu kommunizieren, Dinge aktiv weiter zu empfehlen und so als kleines Zahnrad dazu beitragen, Themen und Anliegen zu unterstützen. Da brauchen wir noch ein wenig Zeit, um das zu lernen.
Ich glaube, dass Crowdfunding vor allem auch im regionalen Kontext oder im Bereich der StartUps an Bedeutung gewinnen wird. Menschen können damit regionale Anliegen oder spannende neue Initiativen kommunizieren, sie unterstützen und sehen bzw. erleben dann auch die direkten Auswirkungen. Das kann wieder für neue Projekte motivieren.
Außerdem denke ich, dass Crowdfunding für Firmen zunehmend an Bedeutung gewinnt (aktiv bzw. in der Unterstützung von interessanten Initiativen und Projekten). Firmen können so interessante Produkte oder Dienstleistungen entwickeln und interessante virale Marketing-Aktionen umsetzen.
Eine große Frage wird sein, wie FördergeberInnen mit diesem Thema umgehen. Derzeit orte ich da noch viel Verunsicherung und vor allem viele Inkompatibilitäten im fördertechnischen Bereich. Aber auch das könnte sich irgendwann einmal ändern.
Wolfgang: Danke für das Interview!
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